„Der Kaiser ist nackt!“, möchte ich jedes Mal schreien, wenn wieder jemand sagt, dass "KI" alles verändern wird.
Wenn man nachfragt, wie genau "KI" alles verändern wird (obwohl jedes Hype-KI-Unternehmen Milliardenverluste schreibt und niemand so genau weiß, was man mit Chatbots nun genau machen soll, die nur mit einer 50-50 Chance oder schlechter das gewünschte Ergebnis liefern und dafür Unmengen an Energie verbrennen) wird auf eine Zukunft verwiesen, in der auf magische Art und Weise "KI" plötzlich all das kann, was es heute überhaupt nicht kann.
Erst mussten wir den Blockchain-Hype ertragen, dann den Metaverse-Hype, dann den VirtualReality-Hype und jetzt den KI-Hype. Immer wieder wird uns versichert, dass die neue Technologie alles verändern wird. Dass das alles nur der Anfang sei, die Technologie noch massive Sprünge machen wird, es ganz viele Anwendungsfälle gibt und wir jetzt vor allem ganz vorne mit dabei sein müssen, um nicht ersetzt zu werden. »Fürchte dich, durch meine Technologie ist deine Lohnarbeit in Gefahr!« Zeitungen und Medien übernehmen und verbreiten völlig unkritisch die PR-Mitteilungen der Tech-Konzerne. LinkedIn-Influencer ändern fleißig ihre Bios und werden über Nacht zu Experten. Und auch die Wirtschafts- und Investment-Bubble kennt über Monate nur noch dieses eine Thema.
Solange "KI" noch nicht durch den nächsten Hype abgelöst wurde, werden weiterhin ChatBots und "Agents" ohne Sinn und Verstand in jede erdenkliche Software gepresst, die wir nutzen. Dabei geht es nicht darum irgendeinen Mehrwert oder Nutzen zu schaffen, sondern einfach nur die Investment-Blase weiter zu füllen und den Shareholder-Value zu steigern.
Vielleicht würde mich der KI-Hype heute weniger nerven, wenn ich meine ganze Karriere nicht in der Tech/Software-Branche gearbeitet hätte. Meine Arbeit ist Software zu entwickeln, deshalb ist es schwer den Hype-Wellen aus Silicon Valley zu entfliehen. Mit "KI" wurde aber ein neues Level erreicht. Jetzt begegnet mir der Marketing-Bullshit auch außerhalb der Tech-Bubble, sei es in Meetings mit Menschen aus anderen Bereichen, beim Abendessen mit Freunden oder beim Besuch der Eltern.
Der bekannte Designer Bret Victor wurde peinlicherweise auf der letzten Pressekonferenz von Figma zitiert bevor sie ihre neusten AI-Features vorgestellt haben. Anscheinend haben sie überhaupt nicht verstanden, worin das Ziel und die Leistung seiner Arbeit steckt. Ich zitiere stattdessen den letzten Satz auf seiner Webseite und schließe mich ihm voll an:
“Do not talk to me about AI.”